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Zusammenfassung

Eine der bemerkenswertesten, aber auch dramatischsten und folgenreichsten Beschreibungen der Situation der Sterbenden hat für die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Philippe Ariès in seiner „Geschichte des Todes“10 geschrieben. Der rote Faden seiner monumentalen, einen Zeitraum von rund 2000 Jahre umspannenden Untersuchung ist die Entwicklung von einem öffentlichen Tod hin zu einer Privatisierung des Sterbens und des Todes. Der Endpunkt der von ihm beschriebenen Entwicklung ist der um seinen Tod betrogene einsam Sterbende. Um den Tod betrogen sein heißt, über das Sterben bewusst im Unklaren gehalten zu werden und somit ohne Möglichkeit zu sein, in Würde zu sterben. Diesen Typus des Todes nennt Ariès den „ins Gegenteil verkehrten Tod“ und beschreibt ihn als Kontrapunkt zum „gezähmten Tod“, dem Typus, den er für den Beginn seines Untersuchungszeitraums in der Antike als dominanten Typ zu erkennen glaubt. Grob gesprochen bezeichnet dieses Gegensatzpaar mit dem „gezähmten Tod“ einen Tod, der dadurch, dass er zum alltäglichen Erleben gehört, keinen besonderen Schrecken verbreitet. In Ariès’ Schilderung, die mitunter durchaus romantisierend ist, herrscht ein tiefes Einverständnis, ihn als zur conditio humana gehörig zu akzeptieren. Die Gesellschaft als ganze nimmt den Tod eines ihrer Mitglieder hin und stützt dabei sowohl den Betreffenden in seinem Sterben als auch seine Angehörigen in ihrer Trauer. Der „normale Tod“ (auf Fälle „verfrühten Todes“, etwa das Sterben von Kindern oder jungen Erwachsenen kommen wir noch zurück) gefährdet nicht die Stabilität der Gesellschaft und ist auch für die Angehörigen kein katastrophaler Einschnitt. Der Tod und die Verarbeitung der durch ihn hervorgerufenen Trauer finden in der Gesellschaft statt. Das heißt: Der Sterbende, seine Angehörigen und die Personen des näheren Umfeldes bilden eine Gruppe, die sich zusammenfindet, wenn sich der Tod ankündigt und ihn als Gruppe erträgt. „Der ins Gegenteil verkehrte Tod“ entbehrt den Rückhalt in der Gruppe, entbehrt auch eine würdige Vorbereitung auf das Sterben. Und vor allem ist er ein aus der Gesellschaft in die Krankenhäuser ausgelagerter Tod, von dem die Gesellschaft so gut wie möglich ferngehalten werden muss. Bis zum „ins Gegenteil verkehrten Tod“ setzt Ariès drei weitere eigene Typen des Todes an, die, mehr oder minder scharf voneinander getrennt, eine chronologische Abfolge bilden. Es sind dies „der Tod des Selbst“, „der lange und stets nahe Tod“ und „der Tod des Du“.11

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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Hoffmann, M. (2011). Die problematische Ausgangssituation. In: „Sterben? Am liebsten plötzlich und unerwartet“. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92662-9_2

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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