Skip to main content

Open Access 11.07.2023 | Schwerpunkt Digitalisierung

Pflegeunterstützende Maßnahmen durch robotische Systeme

verfasst von: Doris Langegger, Irmela Gnass

Erschienen in: HeilberufeScience

Zusammenfassung

Hintergrund

Die demografisch-epidemiologische Entwicklung stellt eine besondere Herausforderung dar, da der (zukünftige) Pflegebedarf kaum noch durch informelle und professionelle Pflege gedeckt werden kann. Hierdurch gewinnen robotische Systeme in der pflegerischen Versorgung zunehmend an Aufmerksamkeit und Bedeutung.

Ziel

Den aktuellen Stand von Assistenz- und Logistikrobotern, die sich auf den Einsatz in der Pflegepraxis im deutschsprachigen Raum fokussieren, darzulegen.

Methode

Die Ergebnisse einer vorliegenden Literaturrecherche zu robotischen Systemen, in den Datenbanken CINAHL, PubMed® und Cochrane (2016) mit webbasierter Anschlussrecherche, wurden mit dem Fokus auf den deutschsprachigen Raum ergänzt. Die Ergebnisdarstellung erfolgt entlang der Kategorien: Robotername/Akronym, ggf. Projektbezeichnung und -zeitraum, Produktmerkmale, Einsatzbereich, Marktreife und Projektwebsite.

Ergebnisse

Von den neun identifizierten robotischen Systemen haben vier die Marktreife erzielt; drei befinden sich in der Entwicklungsphase, und bei zweien wurde die Entwicklung nicht weiter fortgeführt.

Schlussfolgerung

Die Pflege im deutschsprachigen Raum kann eine Unterstützung bzw. Entlastung in der pflegerischen Versorgung durch den Einsatz von wenigen marktreifen Systemen erfahren.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Hintergrund

Die demografisch-epidemiologische Entwicklung stellt eine besondere Herausforderung dar, da der (zukünftige) Pflegebedarf kaum noch durch informelle und professionelle Pflege gedeckt werden kann (Rothgang et al. 2020). Das Interesse an Robotern und deren Bedeutung haben durch das Potenzial zur Unterstützung und Entlastung der Pflege(-personen) zugenommen (Bedaf et al. 2019), insbesondere im Hinblick auf die Versorgung pflegebedürftiger älterer Menschen (Mitzner et al. 2014). Dies liegt z. T. daran, weil Roboter bei Aktivitäten unterstützen, die Autonomie bzw. Unabhängigkeit stärken (Bedaf et al. 2019) und die Lebensqualität positiv beeinflussen können (Melkas et al. 2020).
Bezugnehmend zum theoretischen Hintergrund handelt es sich bei Pflegerobotern um Systeme, die für Menschen mit Unterstützungsbedarf unterschiedlichen Alters entwickelt und vielseitig eingesetzt werden, wie z. B. im häuslichen oder im klinischen Bereich (Hülsken-Giesler und Remmers 2020). Klein et al. (2018) greifen zunächst eine globalere Definition auf und unterscheiden zwischen Service- und Industrierobotern:
„Als Serviceroboter werden Roboter für Anwendungen außerhalb der Produktion bezeichnet. (…) Sie führen Assistenztätigkeiten oder Dienstleistungen aus und zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie im direkten Umfeld des Menschen oder auch in direkter Zusammenarbeit mit ihm agieren.“ (Klein et al. 2018, S. 6, 7)
Demnach unterscheiden sich Serviceroboter zu jenen Robotern in der Industrie nicht nur in der Zusammensetzung und ihrer Funktion, sondern haben insbesondere durch die direkte Interaktion mit den Endnutzerinnen und Endnutzern komplexere Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Im Hinblick auf die Einsatzfelder kategorisieren Klein et al. (2018) in Roboter, die in der Rehabilitation (z. B. Trainingsgeräte und Exoskelette), für Pflege‑/Personal (z. B. Logistik- und Reinigungsroboter) oder im häuslichen Bereich (z. B. Mobilitätshilfen und komplexe Assistenzroboter) verwendet werden. Komplexe Assistenzroboter sind jene, die mehrere Funktionen ausüben. Je nach Konfiguration zählen dazu beispielsweise Transportdienste, aktivitätsfördernde Maßnahmen und/oder die Bereitstellung von Getränken und Speisen. Anzumerken ist, dass die oberhalb angeführte Kategorisierung nicht als starres System zu betrachten ist. Vielmehr dient diese einer Strukturierung, ohne (möglicherweise) klare Grenzen zwischen Anwendungsbereichen ziehen zu können (Klein et al. 2018).

Forschungsfrage

Das Ziel des Artikels besteht darin, den aktuellen Stand zu robotischen Systemen, die bereits in der pflegerischen Versorgung eingesetzt werden könnten, zu recherchieren. Der Stand soll folgende Fragestellung abbilden: Welche Roboter stehen im deutschsprachigen Raum für komplexe assistierende und/oder logistische Tätigkeiten für pflegerische Versorgungsprozesse zur Verfügung?

Methode

Den Ausgangspunkt der methodischen Vorgehensweise bildeten die Ergebnisse von Hülsken-Giesler und Remmers (2020, S. 59ff). Die Autoren führten eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature (CINAHL), Public Medline (PubMed®) und Cochrane durch. Hierbei wurden Primärstudien und systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) für autonome (assistierende und logistische) Systeme bzw. Roboter in der Pflege bis zum Stand Juni 2016 berücksichtigt. Ergänzend führten die Autoren eine manuelle webbasierte Recherche durch. Die Ergebnisse zu den autonomen Systemen von Hülsken-Giesler und Remmers (2020) zeigten insgesamt 26 Systeme auf. Diese wurden mittels manueller Internetrecherche im deutschsprachigen Raum auf ihren aktuellen Entwicklungsstatus (Marktreife) hin überprüft und um weitere Systeme ergänzt (Stand Juni 2021). Die Recherche wurde von einer Autorin (D.L.) durchgeführt und unter Einbezug von Ein- und Ausschlusskriterien (Tab. 1) von beiden Autorinnen selektiert. Der primäre Fokus lag darin, möglichst autonome Systeme in Kombination mit potenziell hohem Nutzen für die Pflege, im Sinne von pflegeunterstützenden und -entlastendem Tätigkeiten, zu eruieren. Die Orientierung erfolgte anhand der Kategorisierung von Klein et al. (2018) mit der Auswahl von komplexen Assistenz- und Logistikrobotern. Ein weiteres Einschlusskriterium bildete die deutschsprachige Steuerung und Interaktion. Hinsichtlich des Settings wurde der inner- und außerklinische Bereich, mit Ausnahme der Rehabilitation, berücksichtigt. In der Rehabilitation werden, laut Klein et al. (2018), vorwiegend Exoskelette und Trainingsgeräte verwendet. Ausgeschlossen wurden emotionale Roboter und Systeme für Pflegeverrichtungen, wie Lagerungs- und Transfersysteme für pflegebedürftige Menschen. Um einen Überblick über die Ergebnisse (Systeme) zu gewähren, wurde für die Datenaufbereitung eine tabellarische Gestaltung gewählt. Die darin enthaltenen Kategorien beziehen sich auf den Namen des robotischen Systems bzw. auf ein etwaig vorhandenes Akronym, bei durchgeführten Projekten die Bezeichnung und der Zeitraum, wesentliche Produktmerkmale (z. B. Transport von Gegenständen) und das Setting des Einsatzbereiches. Hinzukommend ist gelistet, ob sich das robotische System in der Entwicklungsphase befindet oder eine Marktreife vorliegt, sowie ein Link für weiterführende Informationen (Tab. 2 und 3).
Tab. 1
Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturrecherche
 
Einschlusskriterien
Ausschlusskriterien
System
Komplexe Assistenzroboter und Logistikroboter zur Unterstützung von Pflegepersonen im Versorgungsprozess
Emotionale Roboter und Roboter zur Unterstützung von Pflegeverrichtungen
Sprache
Deutschsprachige Steuerung und Interaktion
Anderssprachige Systeme
Setting
Klinischer Bereich, stationäre Pflegeeinrichtung und häusliche Versorgung
Rehabilitation
Tab. 2
Komplexe Assistenzroboter
Nr.
System/Akronym
Projektbezeichnung
Projektzeitraum
Produktmerkmale
Einsatzbereich
Entwicklung/Marktreife
Projektwebsite/Link
1
Care-O-bot® 4 (Fraunhofer IPA, Stuttgart, Deutschland)
k. A.
k. A.
– Autonomes Navigieren; Umgebungserfassung und Objekterkennung; Objekte greifen/manipulieren
– Variable Ausstattung mit (k)einem Roboterarm/2 Roboterarmen; eine Hand durch Tablet ersetzbar; mobile Basis als Servierwagen nutzbar
– Konfiguration der Roboterplattform für unterschiedlichste Anwendungen: Hol- und Bringdienste, Lotsenfunktion (Informationen), Concierge
– Interaktion: Anzeige von Emotionen am Display
Häuslicher Bereich
Marktreife
2
HoLLiECares (HoLLiE: Forschungszentrum für Informatik [FZI], Karlsruhe, Deutschland)
Multifunktionaler Serviceroboter zur Unterstützung professioneller Pflege in Krankenhäusern
02.2020–01.2023
– Autonome Navigation in einem komplexen Umfeld angestrebt; Gegenstände transportieren und Pflegeutensilien bereitstellen (2 Roboterarme)
– Begleitung von pflegebedürftigen Menschen
– Bestellung von Essen; automatisierte Pflegeprozessdokumentation und Kontrolle sowie Dokumentation von Materialbeständen mit Anbindung an Krankenhausinformationssysteme (KIS)
Klinischer Bereich
Entwicklung
3
Lio (F&P Personal Robotics, Glattbrugg, Schweiz)
k. A.
k. A.
– Autonomes Navigieren, Fahren und Aufladen; Objekte identifizieren, Objekte greifen und transportieren (ein Roboterarm)
– Interaktion mittels Touchscreen oder Sprache
– Personen erkennen und begrüßen; verschiedene Unterhaltungsfunktionen und körperliche Aktivität
– Anzeige von Aufgaben; Bestellung von Essen
– Messung der Körpertemperatur; Rundgänge
Häuslicher Bereich, klinischer Bereich, stationäre Pflegeeinrichtung, Rehabilitation
Marktreife
4
REsPonSe (JEEVES®: Robotise® AG, München, Deutschland)
Serviceroboter zur Entlastung und Unterstützung von Pflegenden
02.2020–01.2023
– Kombination aus Smartphone-App Cliniserve® mit autonomen Serviceroboter JEEVES®
– Übernahme bzw. digitale Delegation pflegefremder Tätigkeiten (wie Laufwege)
Klinischer Bereich
Entwicklung
5
RoMi (WorkerbotTM: pi4 robotics GmbH, Berlin, Deutschland)
Roboterunterstützung bei Routineaufgaben zur Stärkung des Miteinanders in Pflegeeinrichtungen
03.2020–02.2023
– Kognitive und körperliche Aktivität; Interaktionsförderung
– Weiterentwicklung der Navigation
– Erforschung von Arbeitsprozessen zur Unterstützung der Pflege; Übernahme von Routineaufgaben, wie Hol- und Bringdienste, Rundgänge mit Statusmeldung (z. B. auf Tablet)
Stationäre Pflegeeinrichtungen
Entwicklung
6
ServiceAssistent (Fraunhofer IPA, Stuttgart, Deutschland)
Servicerobotik zur Unterstützung bei personenbezogenen Dienstleistungen (SeRoDi)
01.2014–10.2018
– Autonomes Navigieren bzw. Rückfahrt, wenn Getränke/Snacks aufzufüllen sind mit Info an das Personal
– Steuerung mittels Smartphone; Touchscreen für Interaktion mit pflegebedürftigen Menschen, um Getränke/Snacks (e.g. Joghurt) auszuwählen
– Erinnerungsfunktion: Flüssigkeitsaufnahme
Klinischer Bereich, stationäre Pflegeeinrichtung
Entwicklung nicht fortgeführt
Tab. 3
Logistikroboter
Nr.
System/Akronym
Projektbezeichnung
Projektzeitraum
Produktmerkmale
Einsatzbereich
Entwicklung/Marktreife
Projektwebsite/Link
7
Intelligenter Pflegewagen (Fraunhofer IPA, Stuttgart, Deutschland)
Servicerobotik zur Unterstützung bei personenbezogenen Dienstleistungen (SeRoDi)
01.2014–10.2018
– Navigiert autonom zum Einsatzort und Aufzugnutzung (Ruf via Smartphone)
– Objekterkennung von entnommenem Material und automatische Verbrauchsdokumentation
Klinischer Bereich, stationäre Pflegeeinrichtung
Entwicklung nicht fortgeführt
8
Relay® (Swisslog Healthcare, Buchs, Schweiz)
k. A.
k. A.
– Autonom navigierender Transportroboter und Aufzugnutzung
– Transport von Medikamenten, Laborproben und weiteren Materialien
– Transportschutz sensibler Artikel durch Verschluss mit Zugangsberechtigung
– Variabel gestaltbare Laderäume
Klinischer Bereich, stationäre Pflegeeinrichtung
Marktreife
9
UNITR (MT Robot AG, Zwingen, Schweiz)
k. A.
k. A.
– Autonom navigierender Transportroboter und Aufzugnutzung
– Bedienung und Interaktion über Touchscreen, PC, Tablet oder Smartphone; Kommunikation mit der Gebäudetechnik wie Brandmeldeanlage, Aufzugs- und Türsteuerungen usw.
– Verschiedene Module für Aufbau möglich (z. B. Gitterkörbe, Metallboxen, Rollenbahn, Medikamentenmodule); Transport von Speisen möglich; automatische Modulwechselfunktion
Klinischer Bereich
Marktreife

Ergebnisse

Die Recherche- und Auswahlstrategie führte zu insgesamt neun relevanten robotischen Systemen. Bei den neun Robotern handelt es sich um sechs komplexe Assistenzroboter (Care-O-bot® 4, HoLLiECares, Lio, REsPonSe, RoMi und ServiceAssistent) und drei Logistikroboter (Intelligenter Pflegewagen, Relay® und UNITR). Der häufigste Einsatzort der Assistenz- und Logistikroboter ist der klinische Bereich, gefolgt von der stationären Pflegeinrichtung. Bei den komplexen Assistenzrobotern ist der dritthäufigste genannte Einsatzort der häusliche Bereich. Bei insgesamt vier robotischen Systemen liegt eine Marktreife vor.

Komplexe Assistenzroboter

Die sechs Assistenzroboter beinhalten eine hohe Varietät in ihren Ausführungsleistungen (Tab. 2). Die Angaben zu den robotischen Systemen lassen sich zu den Bereichen – Interaktion und Aktivität, Transport, digitale Vernetzung und Dokumentation, Service und Sicherheit – zuordnen:
Im Hinblick auf Interaktionen kann Lio Personen erkennen und diese begrüßen sowie Unterhaltungsfunktionen, wie Spiele und Musik, bereitstellen (F&P Personal Robotics 2017). Lio und RoMi haben gemeinsam, dass diese neben der kognitiven Leistung auch zur körperlichen Aktivität animieren, und HoLLiECares besitzt die Funktion, Personen zu begleiten (Zerth et al. 2020). Bei Care-O-bot® 4 liegt ein zentraler Aspekt in der Lotsen- und Auskunftsfunktion. Bei Interaktionen werden am Display von Care-O-bot® 4 Emotionen angezeigt (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung [Fraunhofer IPA] 2022).
Die Roboter Care-O-bot® 4 (Fraunhofer IPA 2022), HoLLiECares, Lio und RoMi (Zerth et al. 2020) führen Hol- und Bringdienste durch. Beispielsweise können von Lio Laborproben eingesammelt und an einem Zielort abgegeben werden. Neben dem Transport von Objekten, kann HoLLiECares Pflegeutensilien bereitstellen. Eine Besonderheit von HoLLiECares liegt in der automatisierten Pflegeprozess- und Materialdokumentation, wobei die Daten an ein Krankenhausinformationssystem (KIS) übertragen werden. Das Projekt REsPonSe ist eine Kombination aus der Smartphone-App Cliniserve® mit dem Serviceroboter JEEVES®. Die zentrale Funktion besteht in der digitalen Delegation an JEEVES® und der Übernahme pflegefremder Tätigkeiten, welche bislang durch die Pflege erbracht werden. Diese Tätigkeiten führen zur Unterbrechung von primär pflegerischen Aufgaben und können als Laufwege und hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingestuft werden (Zerth et al. 2020).
Bezugnehmend zu Serviceleistungen beinhalten Lio und HoLLiECares die Funktion der Essensbestellung, die an ein institutsinternes System angebunden ist (Zerth et al. 2020). Care-O-bot® 4 (Fraunhofer IPA 2022), Lio (F&P Personal Robotics 2017) und der ServiceAssistent (Schiller et al. 2019) besitzen die Fähigkeit, Getränke und/oder Snacks zu servieren. Eine Besonderheit bei Care-O-bot® 4 besteht darin, dass beide Roboterarme entfernt, für ein Getränkeservice eine Hand durch ein Tablet ersetzt und die mobile Basis als Servierwagen verwendet werden kann (Fraunhofer IPA 2022). Der ServiceAssistent kann mit Getränken sowie Snacks, wie Joghurt, befüllt werden und bietet diese pflegebedürftigen Menschen an. Ferner hat der Roboter eine Erinnerungsfunktion zur Flüssigkeitsaufnahme. Nach einem durchlaufenen Ausgabezyklus kehrt der ServiceAssistent zur Basisstation zurück und auch, wenn der Inhalt leer und aufzufüllen ist (Schiller et al. 2019).
Generell sind die komplexen Assistenzroboter darauf ausgerichtet, autonom durch Innenräume von Institutionen zu navigieren (F&P Personal Robotics, 2017; Fraunhofer IPA 2022; Schiller et al. 2019; Zerth et al. 2020). Lio enthält die Zusatzfunktion, selbstständig zur Ladestation zurückzukehren und dort anzudocken (F&P Personal Robotics 2017). RoMi und Lio führen Rundgänge durch und melden dem Pflegepersonal den aktuellen Status über ein digitales System, wie ein Tablet. Eine weitere Sicherheitskomponente von Lio betrifft die Körpertemperaturmessung mittels Wärmebildkamera, die bei erhöhten Werten an das Personal gemeldet werden (Zerth et al. 2020).

Logistikroboter

Die drei  Logistikroboter – Intelligenter Pflegewagen (Schiller et al. 2019), Relay® (Swisslog Healthcare 2022) und UNITR (MT Robot AG 2019) – haben gemeinsam, dass diese autonom durch Gänge navigieren und Aufzüge nutzen können (Tab. 3). Der intelligente Pflegewagen inkludiert eine Objekterkennung mit automatischer Dokumentation von entnommenem Material (Schiller et al. 2019). Der Logistikroboter Relay® dient mitunter dem Transport von sensiblen Materialien, wie Medikamente und Laborproben, die ausschließlich mit Zugangsberechtigung entnommen werden können (Swisslog Healthcare 2022). Der Logistikroboter UNITR kann mit den verschiedensten Aufbaumodulen, wie Gitterkörbe, Metallboxen oder Medikamentenmodulen, ausgestattet werden und diese autonom wechseln. Zusätzlich eignet sich UNITR zum Transport von Speisen. Neben der Vernetzung mit der Gebäudetechnik für Aufzugs- und Türsteuerungen, kann UNITR auch mit der Brandmeldeanlage verbunden werden (MT Robot AG 2019).

Marktreife

Von den neun robotischen Systemen haben bisher insgesamt vier die Marktreife erzielt. Diese sind die komplexen Assistenzroboter Care-O-bot® 4 (Fraunhofer IPA 2022) und Lio (F&P Personal Robotics 2017) sowie die zwei  Logistikroboter Relay® (Swisslog Healthcare 2022) und UNITR (MT Robot AG 2019). Das Projekt SeRoDi beinhaltete zwei robotische Systeme, den ServiceAssistent und intelligenten Pflegewagen (Schiller et al. 2019). Die ursprüngliche Entwicklung wurde vom Projektträger nicht weiter fortgeführt. Damit wären diese robotischen Systeme weder dem Status der Entwicklung noch der Marktreife zuzuordnen (Anm. d. Verf.). Die Grundlage für den Aufbau des ServiceAssistent bildete jedoch laut Schiller et al. (2019) Care-O-bot® 4, der ein marktreifes System darstellt. Die drei komplexen Assistenzroboter HoLLiECares, REsPonSe und RoMi sind in der Entwicklungsphase und waren bis zum Jahr 2023 in geförderten Projekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingebunden (Zerth et al. 2020).

Diskussion

Obwohl für robotische Systeme im deutschsprachigen Raum ein zunehmender Fortschritt für den Einsatz in komplexen assistierenden und logistischen Aufgaben aufgezeigt werden kann, befinden sich diese häufig in der Entwicklungsphase. Die komplexen Assistenzroboter sind für verschiedene Settings konzipiert. Im häuslichen Bereich werden diese v. a. eingesetzt, um die Autonomie von (älteren) pflegebedürftigen Menschen zu fördern oder zu erhalten. Die Verwendung von Logistikrobotern bezieht sich auf stationäre Versorgungseinrichtungen. Obgleich z. B. Logistikroboter mit Marktreife, die die Pflege im Materialmanagement unterstützen können, existieren, sind diese Systeme noch nicht in der breiten klinischen Praxis angekommen (Bedaf et al. 2018; Klein et al. 2018). Als Gründe für die ungenügende Marktreife bzw. den mangelnden praktischen Einsatz werden Herausforderungen beschrieben, die in den technischen Anwendungen zu sehen sind, da Hersteller ggf. mehr Wert auf technische Merkmale im Sinne der Machbarkeit legen als auf die Anpassung des robotischen Systems an die tatsächlichen Wünsche und an den Bedarf der Endnutzerinnen und Endnutzer. Die Systeme werden häufig als schwierig oder ungewohnt in der Anwendung und nicht als Unterstützung oder gar Entlastung in der pflegerischen Praxis erlebt (Bedaf et al. 2018, 2019; Klein et al. 2018). Daher kann festgehalten werden, dass für die Produktion von kommerziell tragfähigen Systemen die enge Mensch-Maschine-Interaktion eine der größten Herausforderungen darstellt (Bilyea et al. 2017). Hierbei hätte auch der Mensch als Endnutzerin und Endnutzer mit Fokus auf eine aktive Mitgestaltung und Anwendung eine umfassende digitale Kompetenz zu erlangen. Entsprechende Projekte befinden sich schon in der Umsetzung (Borcherding et al. 2021). Ein weitere Herausforderung sind hohe Kosten für die Anschaffung und die eingeschränkte Sicherheit durch Fehleranfälligkeit sowie Systemausfälle im praktischen Einsatz (Graf et al. 2013). Die fehlende Abrechnungsmöglichkeit im Gesundheitswesen wird als weiterer Faktor für den zurückhaltenden Einsatz diskutiert (e.g. Klein et al. 2018). Gegenwärtig fehlt zudem eine aussagekräftige Studienlage über relevante Outcomes, um die Wirkung von komplexen Assistenz- und Logistikrobotern belegen zu können (Melkas et al. 2020).

Schlussfolgerung

Der Hoffnung, mit robotischen Systemen für die Pflege eine Unterstützung bzw. Entlastung in der pflegerischen Versorgung zu erreichen, kann im deutschsprachigen Raum mit wenigen marktreifen Systemen begegnet werden. Mit der Etablierung der robotischen Systeme sind, neben der Praxistauglichkeit und dem pflegerischen Nutzen, auch die Investitions- und Instandhaltungskosten im Sinne der Rentabilität zu berücksichtigen. Um die Kostenfrage auf den unterschiedlichen Ebenen zu beleuchten, lohnt ein Blick auf die Entwicklungen von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa) in Deutschland. Die entwickelten Applikationen sind nach Prüfung der Wirksamkeit im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM 2021) gelistet und erstattungsfähig. Ein ähnliches Verzeichnis von digitalen Pflegeanwendungen (DiPa) wird seit dem Frühjahr 2022 für den ambulanten Versorgungsbereich vorangebracht (Beta Institut gemeinnützige GmbH 2022). In Österreich können digitale Gesundheitsanwendungen über Trägerorganisationen angeboten werden (Jeindl und Wild 2020). Die Erarbeitung von Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten von technischen Assistenzsystemen (Robotern) ist dabei noch in der Konsolidierung (Rappold et al. 2021). Inwieweit komplexe Assistenz- und/oder Logistikroboter in den jeweiligen Verzeichnissen aufgenommen werden, wird sich daher in den nächsten Jahren zeigen.

Limitation

Mit dem zentralen Interesse der Darstellung von Assistenz- und Logistikrobotern, die der Unterstützung der Pflegepraxis dienen, bedingte es eine webbasierte Anschlussrecherche an Hülsken-Giesler und Remmers (2020). Aufgrund dessen wurde keine erneute Datenbankrecherche durchgeführt. Folglich könnte es sein, dass robotische Systeme, über die ausschließlich in Originalarbeiten berichtet wurde, hier nicht mit dessen Marktreife präsentiert sind. Die Klassifizierung von Klein et al. (2018) könnte dazu geführt haben, dass robotische Systeme, die nicht nach diesen Kriterien formuliert wurden, unbeachtet blieben. Dies bedeutet, die Klassifizierung gibt eine Eingrenzung vor, wodurch Aspekte möglicherweise nicht erfasst sind. Ebenso könnten Assistenz- und Logistikroboter durch die fehlende oder zu geringe Beschreibung der Funktionen aus dem verfügbaren Datenmaterial nicht näher in Betracht für einen Einschluss gezogen worden sein, obwohl möglicherweise die Funktionen vorhanden sind.

Danksagung

Die Autorinnen bedanken sich bei den Mitgliedern der Steuerungsgruppe des Projektes Pflege- und Versorgungsforschung der Sozialstiftung Bamberg – namentlich bei Markus Graf, Karin Horneber, Monika Schleier, Michael Springs und Jutta Weigand – für den Austausch zur komplexen Thematik.

Interessenkonflikt

D. Langegger und I. Gnass geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Unsere Produktempfehlungen

HeilberufeScience

Online-Abonnement

HeilberufeSCIENCE ist das wissenschaftliche Online-Journal für den gesamten deutschsprachigen Raum.

Springer Pflege Klinik – unser Angebot für die Pflegefachpersonen Ihrer Klinik

Mit dem Angebot Springer Pflege Klinik erhält Ihre Einrichtung Zugang zu allen Zeitschrifteninhalten und Zugriff auf über 50 zertifizierte Fortbildungsmodule.

Literatur
Zurück zum Zitat Graf, B., Heyer, T., Klein, B., & Wallhoff, F. (2013). Servicerobotik für den demografischen Wandel. Mögliche Einsatzfelder und aktueller Entwicklungsstand. Bundesgesundheitsblatt, 56, 1145–1152.CrossRef Graf, B., Heyer, T., Klein, B., & Wallhoff, F. (2013). Servicerobotik für den demografischen Wandel. Mögliche Einsatzfelder und aktueller Entwicklungsstand. Bundesgesundheitsblatt, 56, 1145–1152.CrossRef
Zurück zum Zitat Hülsken-Giesler, M., & Remmers, H. (2020,). Robotische Systeme für die Pflege: Potenziale und Grenzen Autonomer Assistenzsysteme aus pflegewissenschaftlicher Sicht (S. 59). Osnabrück: V&R unipress. Hülsken-Giesler, M., & Remmers, H. (2020,). Robotische Systeme für die Pflege: Potenziale und Grenzen Autonomer Assistenzsysteme aus pflegewissenschaftlicher Sicht (S. 59). Osnabrück: V&R unipress.
Zurück zum Zitat Jeindl, R., & Wild, C. (2020). Framework zur Unterstützung von Refundierungsentscheidungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen (mHealth) und dessen (retrospektive) Anwendung an ausgewählten Beispielen. Wien: HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment. Jeindl, R., & Wild, C. (2020). Framework zur Unterstützung von Refundierungsentscheidungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen (mHealth) und dessen (retrospektive) Anwendung an ausgewählten Beispielen. Wien: HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment.
Zurück zum Zitat Klein, B., Graf, B., Schlömer, I., Roßberg, H., Röhrricht, K., & Baumgarten, S. (2018). Robotik in der Gesundheitswirtschaft: Einsatzfelder und Potenziale. Heidelberg: medhochzwei. Klein, B., Graf, B., Schlömer, I., Roßberg, H., Röhrricht, K., & Baumgarten, S. (2018). Robotik in der Gesundheitswirtschaft: Einsatzfelder und Potenziale. Heidelberg: medhochzwei.
Zurück zum Zitat Rappold, E., Juraszovich, B., Weißenhofer, S., & Edtmayer, A. (2021). Taskforce Pflege. Begleitung des Prozesses zur Erarbeitung von Zielsetzungen, Maßnahmen und Strukturen. Wien: Gesundheit Österreich. Rappold, E., Juraszovich, B., Weißenhofer, S., & Edtmayer, A. (2021). Taskforce Pflege. Begleitung des Prozesses zur Erarbeitung von Zielsetzungen, Maßnahmen und Strukturen. Wien: Gesundheit Österreich.
Zurück zum Zitat Rothgang, H., Müller, F., & Unger, R. (2020). Themenreport „Pflege 2030“. Gütersloh: Bertelsmann. Rothgang, H., Müller, F., & Unger, R. (2020). Themenreport „Pflege 2030“. Gütersloh: Bertelsmann.
Zurück zum Zitat Zerth, J., Forster, C., Müller, S., Bauer, C., Bradl, P., Loose, T., & Klemm, M. (2020). Kann digital Pflege? 3. Clusterkonferenz „Zukunft der Pflege“ (Konferenzband Teil 1 und Teil 2). https://pflege-professionell.at/konferenz. Zugegriffen: 21. Mai 2022. Zerth, J., Forster, C., Müller, S., Bauer, C., Bradl, P., Loose, T., & Klemm, M. (2020). Kann digital Pflege? 3. Clusterkonferenz „Zukunft der Pflege“ (Konferenzband Teil 1 und Teil 2). https://​pflege-professionell.​at/​konferenz. Zugegriffen: 21. Mai 2022.
Metadaten
Titel
Pflegeunterstützende Maßnahmen durch robotische Systeme
verfasst von
Doris Langegger
Irmela Gnass
Publikationsdatum
11.07.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
HeilberufeScience
Elektronische ISSN: 2190-2100
DOI
https://doi.org/10.1007/s16024-023-00399-1